Attitude Behavior Gap-
oder warum es gar nicht so einfach ist nachhaltiger zu leben.

Attitude Behavior Gap

Nachhaltiger Leben liegt im Trend und das ist auch gut so. „Grün“ ist das neue „Schwarz“ sozusagen, doch wie nachhaltig leben wir eigentlich wirklich? Und was macht es uns so schwer den Alltag nachhaltiger zu gestalten?

Viele Menschen geben heute an, sich nachhaltiger und umweltbewusster verhalten zu wollen, doch treffen jeden Tag Entscheidungen entgegen ihrer eigenen Überzeugung. (Mich eingeschlossen) Wenn wir uns also für billig produzierte Kleidung, Fleisch aus Massentierhaltung oder Gemüse aus dem Treibhaus entscheiden obwohl wir es eigentlich besser wissen, sprechen Psychologen von der sogenannten „Attitude Behavior Gap“ Der Lücke zwischen der grundsätzlichen Einstellung (Attitude) und dem tatsächlichen Verhalten (Behavior). Oder anders gesagt: Zwischen „Sagen“ und „Tun“ liegen Welten!

Doch woran liegt es, dass wir oft entgegen besseren Wissens handeln?

Das ist ein ganzes Sammelsurium und setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen:

  • Information und Wissen
  • Verfügbarkeit
  • Transparenz und Vertrauen
  • Erleben und emotionale Bindung
  • Zeit und Komfort
  • Kosten und Nutzen
  • Sozialer Druck
  • Notwendigkeit und Vereinfachung bei der Umsetzung
  • Erlernte Verhaltensmuster

Information und Wissen

Eines ist klar, je mehr wir darüber Bescheid wissen wie Produkte des täglichen Lebens tatsächlich produziert werden und welche Auswirkungen diese auf die Umwelt haben, desto klügere Entscheidungen können wir treffen. Sich Informationen zu beschaffen und Wissen anzueignen ist somit schonmal ein wichtiger Teil für einen bewussteren Konsum. 

Verfügbarkeit

Und genau das ist das Stichwort: „Konsum“. Wir leben eben in einer Konsumgesellschaft, deren Credo lange Zeit: Höher, schneller, weiter hieß. Das Thema Nachhaltigkeit kam darin schlicht nicht vor. Für viele Firmen ist das noch Neuland. Doch genau das ist ein wichtiger Ansatz. Die Verfügbarkeit nachhaltiger Produkte muss gegeben sein, damit nachhaltigere Konsumentscheidungen überhaupt erst getroffen werden können. Denn seien wir mal ganz ehrlich…keiner von uns ist frei von Konsum. Und Konsum muss ja an sich auch nichts Schlechtes sein. Mit unserem Konsumverhalten hin zu einem bewussteren Konsum, können wir Firmen darauf aufmerksam machen wo die Reise in Zukunft hingehen soll, denn die passen sich immer an die Wünsche des Kunden an. Schließlich möchten sie damit Geld verdienen.

Bestes Beispiel: Pflanzendrinks– vermutlich hätte keiner vor 5 Jahren gedacht, dass es mal eine solche sagenhafte und vor allem leckere Auswahl an Pflanzendrinks geben wird. Und das alles nur weil wir als Konsumenten kritischer geworden sind und Firmen dadurch kreativ wurden und nachgezogen haben. Die Nachfrage regelt nun mal das Angebot and …here we are 😉

Transparenz und Vertrauen

Wir möchten ja vertrauen, doch es wird einem oftmals nicht gerade leicht gemacht Vertrauen zu entwickeln. Gerade bei nachhaltigen Produkten spielt das aber eine entscheidende Rolle. Transparenz zeigt zudem, dass es nichts zu verbergen gibt, was wiederum mehr Vertrauen schafft. Doch der Markt ist groß und plötzlich wollen alle etwas vom großen Nachhaltigkeits-Kuchen abhaben. #greenwashing.

Viele Firmen stellen sich nämlich „grüner“ dar als sie tatsächlich sind. Hier muss man als Verbraucher gut informiert sein um sich im Label- Dschungel zurecht zu finden. Denn sogenannte Pseudo Zertifikate die absolut nichts aussagen schießen nun wie Pilze aus dem Boden. Da muss sich seitens der Firmen, aber auch seitens der Politik noch einiges verändern, um ein gutes Vertrauensverhältnis und mehr Transparenz gegenüber uns, den Verbrauchern zu gewährleisten. Schließlich kaufen wir mit jedem nachhaltigen Produkt auch ein Stück gutes Gewissen. Das Gefühl etwas Gutes zu bewirken und damit zu einer besseren Welt beizutragen ist einer der wichtigsten Gründe für die Kaufentscheidung.

Erleben und emotionale Bindung

Ich habe es gerade schon erwähnt. Bei vielen unserer Entscheidungen spielt das Erleben, also das Gefühl dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Etwas zu tun was uns ein gutes Gefühl gibt wirkt bestärkend und wir bauen damit automatisch eine emotionale Bindung auf. Denn je schöner dieses Erlebnis ist (und das kann an sich ziemlich banal sein) desto öfter möchten wir es wiederholen.  Bspw. ein leckeres Essen zu kochen und festzustellen, dass Fleisch oder Milchprodukte einem gar nicht so fehlen wie man vielleicht dachte. Das motiviert in Zukunft neue nachhaltigere Rezepte auszuprobieren. Denn wenn Sachen lecker sind, probieren wir sie auch gerne aus. 

Das Gegenteil kann aber auch der Fall sein. Schmeckt uns das Essen nicht, sind wir enttäuscht und werden das auch so schnell nicht mehr ausprobieren. So ist das nicht nur mit dem Essen, sondern mit ganz vielen Dingen. Entsprechen diese nicht unseren Erwartungen oder geben uns ein schlechtes Gefühl, ist die Hürde wesentlich höher das Ganze nochmal in Angriff zu nehmen. Gefühle haben also auch immer etwas mit Motivation zu tun. Wir lassen uns übrigens auch gerne von den Gefühlen/ Erfahrungen anderer inspirieren in der Hoffnung dasselbe zu erleben. (Youtube, Instagram usw…)

Zeit und Komfort

Machen wir uns nichts vor, der Zeitfaktor spielt in unserem Alltag eine sehr große Rolle! Haben wir mehr Zeit zur Verfügung, darf es ruhig auch mal aufwändiger sein. Ein Brot selber backen, Lebens- oder Putzmittel selber herstellen, neues ausprobieren…alles kein Problem. Doch bei Zeitmangel muss es einfach schnell gehen. Da greifen wir dann prinzipiell auf das zurück was wir bereits kennen und womit wir gute Erfahrungen gemacht haben, auch wenn diese Dinge dann vielleicht nicht so nachhaltig sind wie wir es eigentlich gerne hätten. Sie bieten uns in dem Moment aber mehr Komfort.

Das Gute: Wenn wir vorab wissen, dass es an bestimmten Tagen stressiger wird, lassen sich diese ganz gut vorplanen und vorbereiten. Mittlerweile gibt es aber auch tolle Produkte die nachhaltig sind, Zeit sparen und trotzdem Komfort bieten, wenn es mit der Planung mal in die Hose geht 😉

Kosten und Nutzen

Die Kosten geben für viele den ausschlaggebenden Punkt entweder für oder gegen ein nachhaltiges Produkt. Denn nachhaltige Produkte sind in der Regel teurer als konventionelle. Wobei die Kaufbereitschaft für nachhaltige Bio Produkte seit Jahren und insbesondere seit der Pandemie stetig steigt. Trotz allem bleibt es eine individuelle Entscheidung für was wir unser Geld ausgeben möchten/ können. Hier setzt jeder einen anderen Fokus. 

Nachhaltigkeit muss aber nicht teuer sein! Grundnahrungsmittel sind an sich immer günstiger als stark verarbeitete oder aufwändig verpackte Lebensmittel. Vieles kann man zudem super einfach selber machen und ganz nebenbei auch noch Spaß dabei haben. Bspw. Selbstgemachte Aufstriche, Suppen, Zitronenreiniger uvm. Nachhaltige Produkte sind außerdem meist viel langlebiger und hochwertiger verarbeitet und halten bei guter Pflege ein ganzes Leben lang. Bspw. der gute alte Rasierhobel. Da überwiegt eindeutig der Nutzen sowie die Langlebigkeit und macht damit die Anschaffungskosten bald schon wieder wett.

Sozialer Druck

Ja es gibt ihn noch, wenn auch gefühlt nicht mehr so ausgeprägt wie zu meiner Kindheit. Den Druck immer das neueste Smartphone, die coolsten Klamotten, das schickste Auto oder den aktuellsten Thermomix besitzen zu wollen gibt es auch heute noch. Doch warum entsteht dieser Druck überhaupt erst? Zum einen durch unnötige Vergleiche mit anderen. Wir werden somit nur auf das aufmerksam gemacht, was wir alles nicht haben und denken, dass wenn wir dieses oder jenes letzten Endes selbst besitzen, der Minderwertigkeitskomplex wieder verschwindet. So ist es aber nicht. 

Außerdem gibt es da noch den sogenannten „Spotlight- Effekt“. Das Kaufen für andere. Klingt komisch, ist aber so. Ist euch schonmal aufgefallen das man Dinge nicht nur für sich selber kauft, sondern damit andere einen bewundern? Bspw. das unbequeme Kleid das aber hammermäßig aussieht und nicht mal richtig waschbar ist…oder die schicken Schuhe, die ständig Blasen verursachen, weshalb man sie gar nicht lange tragen kanngenau darum geht es beim „Spotlight- Effekt“. Wir denken immer das es andere im besonderen Maße interessiert was wir anhaben oder was wir machen, so als ob ein Spotlight auf uns gerichtet wäre. Die Wahrheit ist aber ziemlich ernüchternd. Die meisten Menschen interessieren sich hauptsächlich für sich selber und achten nicht auf andere. 

Sobald wir uns das klar machen fällt auch der Druck ab und wir kaufen nur noch Dinge die uns wirklich wichtig sind und einen Mehrwert haben. Dabei darf es dann ruhig auch mal was Gebrauchtes sein.

Notwendigkeit und Vereinfachung bei der Umsetzung

Um das Verhalten Vieler zu verändern muss auch ganz klar die Notwendigkeit hinter der Sache kommuniziert werden. Nachhaltigkeit ist ein Lebensstil der nicht nur hip, sondern für unsere Umwelt und das Überleben aller in Zukunft unabdingbar ist. Von unserem jetzigen Verhalten und dem Umgang mit der Natur hängt nämlich schlicht die Zukunft der nächsten Generation ab! Sich das bewusst zu machen, dass unser Handeln Auswirkungen hat und diese vor Augen zu führen hilft enorm den Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit zu gehen.

Das dieser Schritt aus vielen kleinen Schrittchen besteht und so einige Umwege und Sackgassen mit sich bringt liegt in der Natur der Sache. Veränderung braucht eben Zeit. Leider haben wir davon nicht mehr ganz so viel wie manche glauben, deshalb ist es wichtig auch Anreize für Veränderung zu bieten, die einfach umzusetzen sind.

Psychologen, Umweltverbände und Städte setzen deshalb vermehrt auf kleine „Nudges“ – Schubser, mit denen auf subtile Weise zum richtigen Verhalten animiert werden soll. Bspw. Bunte Fußabdrücke auf dem Boden lassen uns Richtung Mülleimer gehen, Obst und Salate werden auf Augenhöhe in der Kantine platziert oder an der Warteschlange bei der Kasse gesunde Snacks angeboten. Vielleicht bietet eure Firma seit neuestem aber auch Duschen und Umkleiden an um zu erleichtern öfter mit dem Fahrrad ins Geschäft zu fahren. So oder so ähnlich sehen die kleinen Stupser aus, die uns helfen sollen unsere Gewohnheiten nach und nach positiv zu verändern.

Erlernte Verhaltensmuster

Erlerntes Verhalten zu hinterfragen und zu durchbrechen ist wohl mit das Schwierigste. Nicht umsonst fallen wir immer wieder in alte Verhaltensmuster zurück. Bestimmte Umgebungen, Familie und Freunde machen es manchmal nicht leicht sein eigenes Verhalten zu verändern. Nicht immer kann man auf Verständnis und Unterstützung der anderen hoffen. Sich dennoch treu zu bleiben kann ganz schön anstrengend sein. Wer aber positives vorlebt, Sachverhalte gut erklären kann und nicht ständig versucht den anderen alles mies zu machen, hat ganz gute Chancen das auch das Umfeld irgendwann mitzieht und sich das ein oder andere abschaut. 

Da backt die Oma plötzlich einen veganen Kuchen und alle finden es gut, weil es einfach schmeckt. Punkt.

Quelle: 

Diana Schaack, Agrarmarkt Informationss- Gesellschaft( AMI) https://www.boelw.de/themen/zahlen-fakten/ernaehrung/artikel/corona-spezial/

Wiltrud Terlau und Darya Hirsch, Sustainable Consumption and the Attitude-Behaviour-Gap Phenomenon –
Causes and Measurements towards a Sustainable Development file:///C:/Users/manue/Downloads/16-Terlau%20Hirsch.pdf

Wikipedia, Spotlight Effekt, Psychologie https://de.wikipedia.org/wiki/Spotlight-Effekt#:~:text=Der%20Spotlight%2DEffekt%20(%E2%80%9ERampenlicht,im%20negativen%20Sinn%2C%20zu%20%C3%BCbersch%C3%A4tzen.

Katrin Ewert, Planet Wissen, Gewohnheiten https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/gewohnheiten/gewohnheiten-nudges-100.html

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